Kurz & Knapp

Nachfolge ist weiblich im Kreis Lippe – Nachfolge mit Augenmaß

Stefanie Dowe, Optikerin

„Um mich zu verwirklichen, musste ich mich selbständig machen.“ Mit sechzehn Jahren startete die heute 29 jährige Stefanie Dowe in die 3-jährige Ausbildung zur Augenoptikerin in einem traditionsreichen Fachgeschäft in Herford. Den Bezug zum Augenoptikerberuf bekam sie schon sehr früh, da ihre Mutter mit ihr seit dem Kindergartenalter zum Optiker ging.

Stand früh auf eigenen Beinen

„Um nicht länger die Auszubildende im Betrieb zu bleiben“ erklärt sie, wechselte sie nach ihrer Ausbildung zu einem anderen traditionellen Optikerfachgeschäft in Bünde. „Dort konnte ich mich nicht gut ins Team integrieren und ich klopfte nach ein paar Monaten bei meinem Ausbildungsbetrieb an die Tür.“ erzählt die heutige Augenoptikermeisterin und Geschäftsführerin von zwei Optikerfachgeschäften. Das Optikerfachgeschäft hatte allerdings nur eine Halbtagsstelle frei, die sie trotzdem annahm. Da sie aber schon recht früh auf eigenen Beinen stand, reichte eine Halbtagsstelle nicht aus und sie arbeitete nebenbei als 450€ Kraft an der Kasse eines Lebensmittelhändlers. Nach anderthalb Jahren konnte sie dann endlich bei ihrem ehemaligen Ausbildungsbetrieb auf Vollzeit aufstocken. Den 450€ Job behielt die geschäftstüchtige Optikerin aber noch weitere vier Monate lang.

Meisterausbildung in Teilzeit

Ein paar Jahre später begann die zu dem Zeitpunkt 24 Jahre alte Stefanie Dowe, dann ihre Meisterausbildung in Teilzeit. „In dieser Ausbildung erlernte ich so viel mehr und erweiterte meinen Horizont, was alles möglich war. Ich war motiviert, wollte dieses Wissen anwenden und umzusetzen.“ erinnert sie sich noch lebendig. „Ich kam dann zu dem Entschluss, um mich zu verwirklichen, musste ich mich selbstständig machen.“

Augenoptikerinnung unterstützte bei Suche nach Fachgeschäft

Stefanie Dowe begann im Internet zu recherchieren und schlug in Fachzeitschriften nach, um herauszufinden, ob im Umkreis Augenoptikerfachgeschäfte zu verkaufen wären. Doch erst auf der Internetseite der Augenoptikerinnung wurde sie fündig. Sie nahm dann Kontakt zu einer Unternehmensberatung auf. „Von dem Tag an ging alles ziemlich schnell.“ sagt sie. Sie fühlte sich dort in guten Händen und hatte immer einen Ansprechpartner an ihrer Seite. Die Innung teilte ihr mit, welche Geschäfte damals zum Verkauf standen.

Finanzierung ihres Traums

Im nächsten Schritt musste die Optikermeisterin sich die zum Verkauf stehenden Geschäfte ansehen und sich entscheiden welches Geschäft sie künftig ihr Eigen nennen wollte. Nachdem sie ein Geschäft fand, dass ihr zusagte, lernte sie im nächsten Schritt die damalige Inhaberin kennen. „Ich versuchte dann alles über das Geschäft und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Erfahrung zu bringen.“ erzählt sie.  Und die Informationen überzeugten Stefanie Dowe. Also begann sie, sich über die Finanzierung und mögliche Fördermittel zu informieren. „Ich wandte mich an die Außenstelle der Betriebsberatung der Handwerkskammer in Detmold, um die Meistergründungsprämie zu beantragen und ging zu der Bank meines Vertrauens.“ beschreibt sie die nötigen Schritte zur Finanzierung ihres Traums vom eigenen Optikergeschäft. Mit dieser Hilfe konnte sie die Geschäftsübernahme schließlich umsetzen.

Rückhalt von Familie und Freunden

Anderthalb Jahre nach Stefanie Dowes Meisterausbildung war es dann soweit. Sie war Geschäftsführerin von „Stärker Sehen“ in Bad Salzuflen und im Kalletal. „Am 01.08.2018 begann für mich somit eine neue Aufgabe.“ berichtet sie nicht ohne Stolz. „Von der Idee bis zur Übernahme dauerte es nur acht Monate, was rückwirkend betrachtet ein Schnelldurchlauf gewesen ist.“ konstatiert sie. Heute würde sie sich etwas mehr Zeit nehmen. Doch durch den Rückhalt von Familie und Freunden hatte sie trotz des Schnelldurchlaufs keine Sorgen: „Ich wusste von Anfang an, wenn ich es möchte ist alles möglich“. Die heutige Inhaberin fühlte sich durch die genannten Anlaufstellen im gesamten Übernahmeprozess gut vorbereitet und beraten.

Möchte weiter wachsen

Auch heute ist Stefanie Dowe noch immer hoch motiviert, sich und ihr Geschäft weiter zu entwickeln. „Ich möchte noch mehr verwirklichen. Es ist noch lange nicht alles umgesetzt, was ich mir vorgenommen habe. Ich möchte mit meinem 5-köpfigen, großartigen Team immer weiter wachsen. Wir haben schon unsere neuen Ziele definiert und planen die Umsetzung.“ Worte einer außergewöhnlich engagierten Unternehmerin.

Freiheit ist das Schönste

Rückblickend war die Übernahme und der damit verbundene Schritt in die Selbständigkeit laut Stefanie Dowe die beste Entscheidung. „Ich habe jetzt die Freiheiten, die ich vorher vermisst habe und den Rückhalt, den ich brauche.“ erklärt sie. Die Freiheit, das ist das Schönste für die ambitionierte Unternehmerin. Dabei geniesst die Optikermeisterin auch die Beratung und den Bezug zu den Menschen im Ort.

Stefanie Dowe empfiehlt anderen Frauen, die sich vorstellen können ein Geschäft zu übernehmen, die Hilfe von den Kammern, Steuerberatern, Freunden, und Familie anzunehmen und sich einen Unternehmensberater zu suchen. Und sie hält noch einen besonderen Tipp parat: „Versucht vieles gelassen zu sehen, denn alles andere bringt euch nicht immer weiter. Hört auf das was ihr wollt und glaubt daran, dann kann man alles schaffen.“

Für Stefanie Dowe ist ihr Traum in Erfüllung gegangen. „Ich bin viel motivierter und glücklicher.“ resümiert sie und ist dadurch auch ein motivierendes Beispiel für andere Frauen – denn erfolgreiche Nachfolge ist weiblich!

Das Interview führte Anna-Lena Lütke-Börding vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL

Info: Die heimischen Wirtschaftsförderungen, sowie die Startercenter der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer in Ostwestfalen sind wichtige Ratgeber in Prozessen der Gründung und Übernahme. Sie stehen allen Bürgern kostenlos zur Verfügung.

„Nachfolge ist weiblich!“ Nationaler Aktionstag zur Unternehmensnachfolge durch Frauen rund um den 21. Juni

Kleine und mittelständische Unternehmen, welche knapp 99 % der deutschen Unternehmenslandschaft ausmachen, haben immer mehr Schwierigkeiten ihre Nachfolge sicherzustellen. Eine gesicherte Nachfolge ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland jedoch existenziell. Denn die KMU erwirtschaften 48 % der Umsätze und stellen 58% der Arbeitsplätze in Deutschland (Vgl. bga Nr. 38| 2015). Nach Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn werden bis zum Jahr 2022 rund 150.000 Unternehmen vor der Übergabe stehen. Dies betrifft ca. 2,4 Mio. Arbeitsplätze deutschlandweit. Laut der Plattform www.nexxt-change.org suchen allein in OWL aktuell mindestens 130 Unternehmen eine geeignete Nachfolge. 48 % der Unternehmen haben dabei laut DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2019, Schwierigkeiten ihre Nachfolge zu sichern. Im Ergebnis drohen wertvolle Umsätze und Arbeitsplätze in OWL verloren zu gehen. Laut der bundesweiten Gründerinnenagentur spielen Frauen bei der Übergabe mit einem Anteil mit ca. 20 Prozent allerdings noch eine untergeordnete Rolle. Dabei suchen ein Drittel der Frauen mit Führungserfahrung nach einem Weg in die Selbständigkeit.

Die übergabebereiten Unternehmen werden immer stärker das weibliche Unternehmerinnenpotential ansprechen müssen, um ihre etablierten Wirtschaftsstrukturen auch künftig aufrechterhalten zu können. Und besonders für Managerinnen 50plus mit viel Berufserfahrung und Fachkompetenzen kann eine Nachfolge eine lohnenswerte Alternative zu einer Neugründung sein.

Das Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL stellt im Rahmen des Gründungsprojektes erfolgreiche Unternehmensnachfolgerinnen aus OWL vor. Der seit 2008 jährlich stattfindende nationale Aktionstag unter Schirmherrschaft des Ministeriums für Wirtschaft und Energie, soll gründungsinteressierte Frauen und Unternehmen davon überzeugen sich der Unternehmensnachfolge durch Frauen zu öffnen.

Text und Foto: Anna-Lena Lütke-Börding