Kurz & Knapp

„Nachfolge ist weiblich!“ Nationaler Aktionstag zur Unternehmensnachfolge durch Frauen rund um den 21. Juni

Wenig Frauen bei Unternehmensnachfolge

Kampagne Unternehmensnachfolge Silke Speckmann 2020
Kampagne Unternehmensnachfolge Silke Speckmann 2020

Kleine und mittelständische Unternehmen, welche knapp 99 % der deutschen Unternehmenslandschaft ausmachen, haben immer mehr Schwierigkeiten ihre Nachfolge sicherzustellen. Eine gesicherte Nachfolge ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland jedoch existenziell. Denn die KMU erwirtschaften 48 % der Umsätze und stellen 58% der Arbeitsplätze in Deutschland (Vgl. bga Nr. 38| 2015). Nach Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn werden bis zum Jahr 2022 rund 150.000 Unternehmen vor der Übergabe stehen. Dies betrifft ca. 2,4 Mio. Arbeitsplätze deutschlandweit. Laut der Plattform www.nexxt-change.org  suchen allein in OWL aktuell mindestens 130 Unternehmen eine geeignete Nachfolge. 48 % der Unternehmen haben dabei laut DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2019, Schwierigkeiten ihre Nachfolge zu sichern. Im Ergebnis drohen wertvolle Umsätze und Arbeitsplätze in OWL verloren zu gehen. Laut der bundesweiten Gründerinnenagentur spielen Frauen bei der Übergabe mit einem Anteil mit ca. 20 Prozent allerdings noch eine untergeordnete Rolle. Dabei suchen ein Drittel der Frauen mit Führungserfahrung nach einem Weg in die Selbständigkeit.

Die übergabebereiten Unternehmen werden immer stärker das weibliche Unternehmerinnenpotential ansprechen müssen, um ihre etablierten Wirtschaftsstrukturen auch künftig aufrechterhalten zu können. Und besonders für Managerinnen 50plus mit viel Berufserfahrung und Fachkompetenzen kann eine Nachfolge eine lohnenswerte Alternative zu einer Neugründung sein.

Das Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL stellt im Rahmen des Gründungsprojektes erfolgreiche Unternehmensnachfolgerinnen aus OWL vor. Der seit 2008 jährlich stattfindende nationale Aktionstag unter Schirmherrschaft des Ministeriums für Wirtschaft und Energie, soll gründungsinteressierte Frauen und Unternehmen davon überzeugen sich der Unternehmensnachfolge durch Frauen zu öffnen.

Nachfolge ist weiblich im Kreis Gütersloh- Eine Erfolgsgeschichte wie sie im Buche steht

Seit der Übernahme ist das Geschäft „meins“. Zum 01. Januar 2020 übernahm die gelernte Buchhändlerin Silke Speckmann im beschaulichen Halle Westf. die alteingesessene Buchhandlung „Bunselmeyer“ und führt sie seitdem als „Bücher und Geschenke Speckmann“ fort. Fünf Jahre hatte die Mutter von Zwillingen hier bereits gearbeitet und das Unternehmen, die Kolleginnen und die Kundschaft kennen und schätzen gelernt. Dem Einzelhandel ist die erfolgreiche Nachfolgerin seit ihrer Kindheit verbunden, denn bereits als Schülerin arbeitete sie mit Begeisterung im elterlichen Ladengeschäft mit. „Ich mag vor allem den Kontakt zu den Kundinnen und Kunden und die vielfältigen Beratungsgespräche – das ist mir während des Lock-Downs besonders aufgefallen – ein reiner Bürojob wäre nichts für mich. “

Die Leidenschaft für den Beruf erkannte auch der damalige Inhaber der Buchhandlung und erkundigte sich bei der Angestellten, ob sie sich eine Übernahme des Geschäfts nach seinem Renteneintritt vorstellen könne. So begann die erste Auseinandersetzung mit dem Thema Nachfolge für Silke Speckmann, welche sich im April 2019 konkretisierte und sich in Form von Verhandlungen und Gesprächen bis in den Herbst 2019 hineinzog. Für einen Schritt wie diesen, eine optimale Zeitspanne. Die Gründerinnenagentur des Bundes empfiehlt, bereits bis zu einem Jahr vor der Übergabe in die Planungen einzusteigen.

Um sich optimal auf die Übernahme vorzubereiten besuchte Silke Speckmann zudem Seminare. „Um einen Überblick über alle zu bedenkenden Schritte zu erhalten und um mich mit anderen Buchhändlern auszutauschen, die ebenfalls ein Geschäft übernehmen wollten.“ erklärt sie. Auch ihr Mann konnte ihr auf Grund seines beruflichen Hintergrundes bei vielen Fragen helfen. Gemeinsam nahmen die beiden eine Beratung für Existenzgründer und Existenzgründerinnen bei der Pro-Wirtschaft GT wahr und suchten früh den Kontakt zu einem Steuerberater. „Durch all diese Unterstützungsmöglichkeiten habe ich mich gut vorbereitet gefühlt.“ resümiert die heutige Inhaberin. Zudem stand der frühere Geschäftsführer weiterhin mit wichtigen Informationen bzgl. des Geschäfts für die reibungsglose Übernahme zur Verfügung. So fühlte sich die Buchhändlerin, die den Trubel in der von Laufkundschaft geprägten Buchhandlung in der Sparkassenpassage sehr genießt, besonders gut informiert. „Die Übernahme hat sehr gut geklappt, obwohl die Vorbereitungen neben dem Weihnachtsgeschäft im Dezember schon recht anstrengend waren.“ erzählt sie. Doch ihr Planungsgeschick und Organisationstalent kamen ihr während dieser Zeit zugute und tragen noch heute dazu bei, dass sie Selbständigkeit und Familie sicher unter einen Hut bekommt. Und der Erfolg gibt ihr Recht.

Trotz des jungen Bestehens hat Silke Speckmann es bereits durch die Etablierung kreativer Angebote durch die erste Corona-bedingte Krise geschafft. Auch der Rollenwechsel von der Kollegin zur Chefin verlief positiv. Sie konnte alle Angestellten übernehmen und freut sich, sich immer auf ihr Team verlassen zu können. „Natürlich trage ich jetzt mehr Verantwortung und muss Entscheidungen treffen, aber genau das macht mir Spass und ich habe die Entscheidung das Geschäft zu übernehmen- trotz Corona- bis heute nicht bereut.“ fasst sie ihren Weg in die Selbständigkeit zusammen.  Die Buchhändlerin hat durch ihre Übernahme nicht nur dazu beigetragen ein beliebtes Geschäft, sondern auch vier Arbeitsplätze im Kreis Gütersloh zu erhalten. Weibliche Nachfolge ist erfolgreich.

Das Interview führte Anna-Lena Lütke-Börding vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL.

Info: Die heimischen Wirtschaftsförderungen, sowie die Startercenter der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer in Ostwestfalen sind wichtige Ratgeber in Prozessen der Gründung und Übernahme. Sie stehen allen Bürgern kostenlos zur Verfügung.