Frauen in der Politik Business Talk Frauenbranchenbuch OWL mit Michaela Heinze
Business Talk

Hürden und Highlights – Frauen in der Politik

Lokalpolitikerinnen diskutieren beim Business Talk über ihre Situation als Frauen in der Politik

Die Kommunalpolitik als wichtige Basis der Demokratie – diese konnten Unternehmerinnen, selbständige und interessierte Frauen und Männer am 30. August 2018 beim Business Talk „Frauen machen Politik“ ganz direkt und persönlich kennenlernen. Rund 50 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Institutionen kamen auf Einladung von Netzwerkerin und Moderatorin Michaela Heinze zum Podiumsgespräch mit den drei Politikerinnen Angelika Gemkow, Christina Osei und Karin Schrader. Diese sprachen sehr offen und warmherzig über ihre Erfahrungen als Frauen in der Politik und den  damit verbundenen Hürden und den Highlights in der im Rat der Stadt Bielefeld und im Landtag. Daneben gab es viel Gelegenheiten zum Austausch und Kennenlernen der Politikerinnen und der Gäste untereinander, denn wie Gastgeberin Ulrike Schettler, Inhaberin der Autohäuser Schettler in Bielefeld, gleich zur Begrüßung betonte: „Netzwerken bringt uns alle weiter!“.

Parallelen zwischen Wirtschaft und Politik

Zum Einstieg gab Christiane Gräfin Matuschka als FidAR-Verantwortliche OWL (Frauen in die Aufsichtsräte e. V.) einen Überblick über den aktuellen Stand des WoB-Index (Women-on-Board-Index). Mit diesem Instrument will die Berliner Initiative die nachweisbare Positionierung von Frauen in den Vorständen der Dax-Unternehmen sichtbar machen und voranbringen. Der FidAR WoB-Index verzeichnet 2018 in den 104 börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen einen Frauenanteil im Aufsichtsrat von 30,9 Prozent. Die Parallelen zur Politik sind deutlich erkennbar. Niedrig wie zuletzt vor 19 Jahren besteht der aktuelle Bundestag aus knapp 31% weiblichen Abgeordneten. Matuschka betonte wie wichtig es sei, dass Frauen sich gemeinsam auf den Weg machten um diese Zustände zu ändern. In einer flammenden Rede forderte Sie die Frauen dazu auf über ihre eigenen Leistungen zu reden, sich gegenseitig zu inspirieren und voneinander zu lernen.

Gut eine Meinung zu haben

Die drei Gäste der Podiumsrunde, Karin Schrader als Erste Bürgermeisterin Bielefelds, die ehemalige Landtagsabgeordnete Angelika Gemkow und die Bielefelder Ratsfrau Christina Osei erzählten ganz nahbar und persönlich von ihrer politischen Arbeit, ihren individuellen Erfahrungen und dem Einstieg als Frauen in der Politik. Christina Osei etwa führt ihr Engagement auf ihren familiären Hintergrund zurück, wobei ihre Entscheidung für die Partei ‚Die Grünen‘ bei ihrem Vater trotz Missfallens zu Respekt führte: Es sei schließlich gut, eine Meinung zu haben und diese auch zu vertreten! Karin Schrader setzte ihren Plan, nach der Familienzeit in die Politik zu gehen, motiviert durch den Geist der Flower-Power- und 68er-Zeit sowie die Frauen-Demos in die Realität um und trat Mitte der 1980er Jahre in die SPD ein. Und „Politik-Urgestein“ Angelika Gemkow ließ sich beim Parteieintritt in die CDU im Alter von 16 Jahren nicht von den vielen Männern in dunkelblauen Anzügen beirren:

„Man muss dranbleiben und sich nicht abschrecken lassen, wenn’s einem erst nicht gefällt oder man keinen kennt.“

Sie freut sich bis heute über den Erfolg der parteiübergreifenden Bürgerinitiative zur Rettung der Ravensberger Spinnerei, bei der sie ganz handfest mit anpackte. Von einer durchaus anderen Zeit der politischen Arbeit erzählte sie über die Reaktion auf die gewaltsame Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968: Per morgendlichen Telefonaten organisierte sie damals eine Demo mit selbstgemachten Schildern.

Unterstützung durch Frauennetzwerke

Während die Mitarbeit bei Bürgerbegehren oder in der Schulpflegschaft gute Räume für Engagement darstellen, betonten Karin Schrader und Christina Osei die Wichtigkeit eines Parteieintritts, wenn Frauen in der Politik wirklich etwas bewegen und für Ämter aufgestellt werden wollen. Für die Sache eintreten sei wichtig, waren sich beide einig, und Schrader weiter: „Dabei muss ich ja nicht komplett alles an der Partei toll finden.“ Für sie ist der gegenseitige Austausch und die Unterstützung durch parteiinterne  Frauennetzwerke wie die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) aber auch parteiübergreifende Netzwerke sehr wichtig. Im wirklichen Leben wie auch auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen haben sich die Politikerinnen Selbstvertrauen, Schlagfertigkeit und ein Stückweit auch ein „dickes Fell“ zugelegt – und sind doch sensibel und empfänglich geblieben für das solidarische Miteinander nicht nur unter Frauen.

Bei wichtigen Themen Gehör verschaffen

Im persönlichen Verständnis des Begriffs „Macht“, gibt es bei den drei Politikerinnen durchaus Unterschiede. Angelika Gemkow sieht den Begriff positiv besetzt. Sie nutzt Ihre Stellung auch schon mal um „Palaver“ zu vermeiden um schneller zu Entscheidungen zu kommen. Frauen in der Politik erreichten mit Macht eher ihre Ziele. Als Behindertenbeauftragte der NRW-Landesregierung kann sie außerdem ihre Macht nutzen, um Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu sichern. Christina Oesei lehnt den Machtbegriff völlig ab. Sie assoziiert damit „machthungrige Menschen“, diejenigen, die ihre Stellung missbrauchen und die an ihrem Posten kleben. Karin Schrader erachtet Macht etwa im Sinne einer Mehrheit in Ausschüssen einfach als nötig, um beispielsweise bei der Verkehrswende etwas zu erreichen. Als Bürgermeisterin könne sie sich außerdem bei wichtigen Themen durch die mit dem Amt verbundene Stellung leichter Gehör verschaffen. Für den ersten Einblick in die Politik empfahlen die Podiumsgäste interessierten Frauen neben der AsF, der jungen Union und der grünen Jugend die themenbezogen für Interessierte zur Mitarbeit offen stehen und zum anderen die Möglichkeit, die öffentlichen Fraktionssitzungen zu besuchen.

Themen wie vor 30 Jahren

Die Politikerinnen sprachen offen über persönliche Themen und ihre Motivation als Frauen in der Politik etwas zu bewegen: Christina Osei etwa über ihren inneren Antrieb, vorne zu laufen, Transparente zu tragen und Veränderungen mitzugestalten. Karin Schrader moniert, dass sie thematisch mit Equal Pay und der Gleichberechtigung heute noch die gleichen Diskussionen führen muss, wie vor 30 Jahren. Angelika Gemkow resümierte, dass 80 % ihrer politischen Arbeit ihr große Freude machen. Über die anderen 20% müsse man als Frau hinwegsehen. In der Podiumsrunde bezogen alle drei entschieden Partei für Madeleine Henfling, Abgeordnete des Thüringer Landtags, die tags zuvor mit ihrem neugeborenen Kind des Plenarsaals verwiesen worden war.

Das Fazit der drei Politikerinnen an das Publikum war eindeutig: Wir sollten uns für Politik interessieren, die demokratischen Prozesse verinnerlichen und leben. Denn: „Wir alle haben Verantwortung für unsere Demokratie und wir müssen dafür eintreten!“

Text: Katja Eßer und Michaela Heinze

Fotos: Steffi Behrmann Fotografie